Wenn ich zu Jim Jarmusch mehr Bezug hätte, als die leidlich-distanzierte Bekanntschaft, fußend auf Filmen über die ich nur selten nachdenke, dann hätte ich ihm dieses Prestige-Altwerk vielleicht verziehen, beziehungsweise ihm Rosen gestreut für gut gekleidete Menschen und den Anschein einer klassizistischen Erzählform. Da dem eben nicht so ist, habe ich mich direkt an Almodovars unsäglichen "The Room Next Door" erinnert und in der Annahme, Wim Wenders habe mit dem Toilettenfilm eine New Wave der betuhlichen Betagtheit und strengen Formalismus angestoßen, bestätigt gefühlt. . Film für die Lesebrille und den leicht angestaubten Parfümduft bei den Großeltern.
In einer Welt, in der Kunst eben nicht plagiiert und sich aus dem Emporstilisieren von Nichtigkeiten definiert, hätte heute jemand im Gartenbaukino aufstehen und Breton beiim Wort nehmen müssen. Jemand hätte Bomben, Granaten, oder selbst Gemüse auf die Leinwand werfen müssen, Linklater (der sich wohl in weiser Voraussicht nicht nach Wien getraut hat) bei den Ohren nehmen und ihm sein geliebtes Zelluloid in den vorlauten Mund stopfen, bis er endlich Dialoge schreibt, die nicht unverändert in jedem Wikipedia Artikel zu finden sind. Und selbst dann wär diese studentische Bauchpinselei nichts weiter als ein verkrüppeltes, stilloses Werk, kein Kreis und erst recht keine Linie. Es wäre vielleicht ein heuchlerisches Seufzen und ein naives Augenglitzern, ein schmieriger Text in der Paris Jour, eine Kapitulation, ein Tod auf dem Erbsenbett. Da ist keine Suche erkennbar, nur ein arrogantes "Ich weiß", ein Fan der seinen Helden anhimmelt, ohne nur einen Funken Verstand zu besitzen. Eine Blindheit in Sich, ein Rätsel dessen Lösung Linklater schon zur nächster Hochkunst-Hommage wandelt. Alles ist Performance, nichts ist Performance, die Nouvelle Vague ist alles und nichts, ein Ende mit Schrecken, ein gutes Nichts, Linklater hingegen ist niemand, ein Nichts, ein tatsächliches Nichts.
Summe vieler bekannter Teile, Vampire in Gothic-Argentina und Rassentheorie die selbstverständlich scheint, keine Aufarbeitung - bzw. Kontextualisierung, Bezugnahme auf das "theoretische" Konstrukt, also wieder ganz viel Oberfläche und Offensichtliches - eine Nebenfigur die in ihrer naiven und plakativen Gutmütigkeit schon beinah ausgedacht wirkt und auch etwas unkritisch im Raum stehen bleibt. Ich, Sohn von Mengele, wusste von nichts. Serebrennikov ist immer einen Hauch davon entfernt, sich von seinem moralischen Ross herunterzuschwingen, nur um sich in ein blumig-unschuldiges Feld zu setzen.
Kunst, die sich um die eigene Achse dreht, sich selbst das größte Hindernis ist, immer den Anschein wahren will, dass nichts und niemand ihre Souveränität berühren kann. Marcello findet eine eigene Sprache dafür, eine moderne Altertümlichkeit, die sich in den Gesten, den Auf- und Niedergerissenen Augen, den sich berührenden Händen offenbart, in Träumen, die nur einen Bruchteil einer Sekunde lang sind; nie verwirklicht werden können, sich einbrennen - quälen. Am Ende ist das Theater, die Menschen, denen der Tod näher ist als ein Leben ohne Theater, die in dieser Sehnsucht untergehen und sich selbst verraten.
Eigentlich ja der Gegenentwurf zu dem durchseuchten Ouevre des Lav Diaz, der sich oft in den kleinen Gesten der Wälder versteckte und erst daraus die Grauen einer verpesteten/verrohten Kultur zu schildern. Hier sucht man vergeblich nach kleinen Gesten, nach Schatten in den Wäldern, nach Blumen am Wegesrand; es offenbart eine Notwendigkeit an Größe, Diaz muss groß denken, um nach Cannes zu kommen, wenn man es so sehen will. Es ist auch zweifelsohne ein großer Film, einer der sich zwischen Marienfiguren und Schlachtungen, zwischen Romantik und Repression bewegt, vielleicht zu Unrecht.
Kongruente Metafiktion, mit Überblendungen&Verwebungen der Fiktion in die fiktive Realität des Films, ein Kampf mit mythologischer Deutungs-Singularität, der es dann in den entscheidenden Punkten (Köhler selbst will davon auch nichts wissen, ist sich einer subjektiven Verantwortung nicht bewusst) auch an Mut zur Entartung fehlt, ich meine damit ein Handeln das sich über das "Fragen stellen" hinausbewegt, nicht bloß spiegelt, aber freiwillig ins offene Messer läuft, zumindest in Teilen. Köhler verlässt seine Oase der künstlerischen Unberührtheit eigentlich nie, weist von sich, verweist auf andere, als hätte er erst gar nicht mitgearbeitet. Und doch, man erkennt Muster und Arbeitsweisen, die über vielem stehen.
Fin de cinema. Hatte mich ab und an in der Nähe einer melancholischen Unterwürfigkeit, Momenten der unkritischen Selbstaufgabe, nichtsdestotrotz scheint Bi Gan dann doch auch ein paar wenige genuine Ideen zu haben, die den abgedroschenen Hommage-Bildern entgegenwirken und eine eigene Identität glaubhaft machen sollen. Schade nur, dass lediglich die geklauten Bilder im filmischen Kontext funktionieren, seine eigenen, unromantischen, gewaltverliebten, poesielosen Bilder hängen in der Luft, suchen eine Linearität, ein vitales Kollektiv und landen doch immer wieder in der Güllegrube. Liebe muss immer mit Blut vergolten werden, die Sehnsucht nach Gift, man suhlt sich in der selbstverschuldeten Tristesse. Keine Magie im Raum, kein neues Kino, wie Bi Gans lächerliche Schlusspointe vermuten lässt, das bleibt alles Schein und Behauptung, wie so vieles in diesem fragilen, fremdbestimmten Film.
Ich begrüße das, wenn Filme Wut und Verdruss in sich, aber auch nach außen tragen, wenn sich aus der Wut ein Chaos entwickelt. Ein Chaos das Löcher reißt, Töne verschlingt, Wälder in Brand setzt; und auch wenn Ramsay durchaus Interesse an diesen Dingen zeigt, kommt sie nicht umher, ihre Figuren als Beobachter, nicht Protagonisten anzusehen; wie arronofskysche Fremdkörper gleiten alle durch den Film, ohne Abdrücke oder Spuren zu hinterlassen. Wie ein Geisterfilm, in dem die Lebenden nicht von den Toten zu unterscheiden sind. Musste auch an Schroeters Malina denken und wie anders er seine Künstlerin sah, mit welcher Ehrfurcht und gleichzeitig Abneigung er ihr begegnete. Ramsay berührt ihre Figuren nicht, scheint sie gar nicht wahrzunehmen, ihre Dialoge vom Papier zu löschen. Und so bleibt nur ein eigenartiges Gefühl von Stillstand und Starre, nichts bewegt sich, alles liegt brach, als hätten Geister einen Wald in Brand gesetzt.
Es geht nicht zwingend um Klasse, eher um ein individuelles Bewusstsein von (seiner eigenen) Geschichte, Herkunft, Abstammung. Die harten Schnitte wählt Radlmaier bewusst, um sich nicht ins Melodram treiben zu lassen; eine totales abstrahieren von Klassenverhältnissen, hin zu einer Erinnerungstümelei, die nicht beißt, keine Zähne hat, das (heimattümliche) Gelächter im Saal nicht attackiert. Irgendwann sehnt man sich nach dem Melodram, das der zweite (und beste) Teil anschneidet; man sehnt sich nach einer Verletzlichkeit, einer Unsicherheit, die dann auch nicht immer ironisch gebrochen werden muss. Dann hätte die Musik auch nicht den abschätzigen Charakter, dann wäre Schumann nicht bloß Hülle aber Beiwerk. So sucht man stets nach den Momenten absoluter Stille, den sanften Augen, den Tränen vor lebendigen Bäumen, den großen Verschwörungen und kleinen Küssen - bis der Schlager einsetzt.
Piraten in Manitoba, nach Gold zu graben, wenn die Sonne nicht scheint. Irgendwie kämpfen im Kino alle gegen die Sonne, selten mit ihr; als hätte der Mensch dem Licht auch nur das Geringste entgegenzusetzen. Klirrendes schwenken, fiepende Kreidemalereien, die verblassen, wenn man sie erblickt. Es bleibt ein Film der auf die Lyrik zuarbeitet, ohne sich ihr anzunehmen, vielleicht stört mich das auch, dass jedes Bild sich selbst verorten möchte, aber wer will schon hassen, was sich rötlich ziemt - nichts ziemt sich so wie das Rot.
Kontemplativ-schwebesüchtige Mär von wandelnder, sich immer in Bewegung befindender Geschichte, die sich zwischen blökenden Ziegen, braun gebräunten Grashalmen und Steinskulpturen stets im Zwiespalt mit seiner künstlerischen Haltung befindet. Ich mochte das unstete Erzählen, die Briefwechsel, denen all die Gewalt dieser Zeit anhängt, Gemäuer, die schreien, Menschen, die arbeiten und doch irgendwo mit stets mit, aber auch gegen die Geschichte arbeiten - in stetig unsteten Variationen unserer Erzählungen, in Gedichten und Musik ein Leben zu erzählen.
Die schematische Zerstreuung eines elementaren Konflikts sieht man im lateinamerikanischen Kino immer häufiger (Ich denke an Alonso, Escalante, Risuleo). Eine Nicht-Erzählung die sich aus der Erzählung pellt, um den unendlicher Raum der sehnsüchtigen Imagination aufzumachen. Dies bleibt vorerst aber nur Bemerkung, nicht Verurteilung; solange ich träumerisch aus dem Saal schwebe, wird kein böses Wort über meine Lippen kommen. Und vielleicht wars ja wirklich nicht mehr als eine Lagerfeuergeschichte.
Loznitsa, den ich auch nach dem Q&A für keinen besonders intelligenten Regisseur halte, versucht sich in kafkaesken Bürokratie-Persiflagen, die allerdings nie solche bleiben dürfen, sondern für sein auserkorenes großes Ganzes als Steigbügelhalter fungieren müssen. Bei Loznitsa gibt es klare Feindbilder, die er in hollywoodesquer Manier wie mit Augenklappe und Messer zwischen den Zähnen porträtiert, wiederum - alles für sein großes Ganzes. Nicht ein Zwischenton verirrt sich in diese perfekten Szenerien, nicht ein Moment der Unklarheit, kein Bruch in der Reimstruktur. Und so wirkt Loznitsa eigentlich auch nur wie einer seiner verhassten Bürokraten, die ja eigentlich Kommunisten darstellen sollten. Aber vielleicht ist es ja so, dass er es gar nicht versteht, was es bedeutet politische Gegensätze anzuprangern und auszuhebeln und so flüchtet er sich in den Boulevard, wo der "Böse" eigentlich nie etwas zu sagen hat.
Das Fundamentale im Wirbelsturm der Beiläufigkeit. Man begegnet sich selbst in den verzweifelten Annäherungsversuchen, in den schmollenden Nachtspaziergängen, man fühlt sich wie der Seiltänzer im Zirkus - mal federleicht tanzend, dann theatralisch fallend, vielleicht waghalsig in den Tod zu springen. Innerlich brennend, äußerlich nicht viel kräftiger als die Mücken im Dickicht. Freund und Feind, beides steckt mir im Leib, und will ich einen loswerden, töte ich den anderen. Alles bedingt alles, nichts steht für sich; wenn ich auf deiner Party erscheine, dann weil ich gar nicht anders kann, weil ich sonst unter die Räder gerate, weil ich sonst irgendjemanden fresse. Auch ein Film über das Verschwinden, über Menschen, die mit der Umwelt in die Unterwelt gelangen und von dort nie mehr zurückkehren. Du bist überall und nirgendwo, du bist dieser eine jemand und doch kein Teil von uns, erst wenn du dein Herz herausgerissen hast, sprechen wir dieselbe Sprache, mein Wort ist das deine, mein letztes wird dein erstes sein, in jeder Silbe steckt eine Lösung, eine Lösung für ein Rätsel, dass du noch gar nicht begriffen hast.
Der Körper im Quadrat, im Spiegel der Wassertropfen, durchzogen von Linien, in Ecken gedrängt, an Kanten geschärft, das Papier verträgt die Tinte nicht - blanc - bleus - blanc - bleus. Diese Linien schneiden Wolken, trennen Himmel und Hölle, Wasser und Luft, das Ding und den Gedanken; der Mensch als einzige Figur der Stille, in einem Film, der nie in sich ruht, der selbst in der menschlichen Apathie ein bewegendes Element installiert (ein Ball, ein Luftstoß, die Algen im See), vielleicht meidet er deshalb die Finsternis, die naturgegeben hereinbrechen muss, dem Film dennoch nie Komparse wird; anders als bei Epstein - wo der Mensch ohne Finsternis nichts ist, aber Pigment. Und so sucht man auch die Einsamkeit vergebens, wo sie der Schwärze immanent sein sollte, verschwindet sie bei Aragno in der Zeit, in den Augen der See, im Seil des Bootes, im Abgrund des Wassers. Zeit die sich selbst nicht als solche begreift, in den wehenden Haaren bleibt sie stehen, die Zeiger zerbrochen. Eine Tonne am Flussufer, tanzend zwischen den Flammen, nichts spricht, alles gegen den Rhythmus, nichts für ihn. Inmitten der Vorstellung ging im Historischen Saal des Metrokinos das Licht an; verwunderte Blicke - waren wir plötzlich Teil einer "Performance"? , ein Raunen im Saal, eine Handvoll willenloser Dauerschläfer erwacht und blickt in die Runde, vielleicht noch eine kurze Bemerkung zur Begleitung; das Licht geht wieder aus - Immersion gebrochen, man wünscht sich beinah, Aragno wäre ins Scheinwerferlicht getreten, hätte ein schlechtes Gedicht rezitiert und den Zettel daraufhin verbrannt, eingeäschert. Sonnenbrille bei Nacht, aber auch Regenmantel bei Hitzewellen, Trinkgeld für schlechtes Essen, also stets im dialektischen Konflikt mit diesen unzähligen Kontrasten, Fiktion im Kreuzfeuer. Und zwischen diesen Ebenen, zwischen den Trennwände und Schutzschilden filmischer und literarischer Form, finden sich auch Momente einer melancholischen Offenheit, einem Hang zum Kitsch (im positivsten aller Sinne), ein Drängen auf Fiktion in der erdrückenden Wirklichkeit. Bis alles endet, als Pinselstrich eines impressionistischen Gemäldes, an der Reling eines Kriegsschiffes, am Fluss wo alles begann.
Textarchitektur, Kathedralen, Torbögen, ja selbst Holzschränke entfließen Becketts Text, oder ist es bloß eine Täuschung, der man bei Sichtung dieses Filmes unterläuft. Man fühlt sich eingesperrt in der lyrischen Form, die Moguillansky recht arglos über den naturalistischen Anspruch seiner Bilder stülpt. So ist der See nicht Ort, aber Mittel im Text, Material der Verfremdung, ein leiser Nachbar, der tanzt und Melodien säuselt. Ein Klammern an filmische Sprache ist im Saal zu bemerken, ein Unverständnis für das Beharren auf losen Enden, weichen Brüchen, kohärenter Sprache. Man merkt, hier will niemand dieselbe Sprache sprechen, sie suchen nach dem Unverständnis, der Kritik, während der Film ihnen eigentlich jegliche basale Emotion vorlegt. Nur greifen muss das Publikum lernen, gierig zu sein. Moguillansky hat das für sich verinnerlicht, auch wenns ihm selbst Schmerzen zufügt, weil er sich in die Einsamkeit flüchten muss. Sich im Beistand zu trennen, sich abzuwenden bevor die Musik entgleitet, das Bild schwärzen - das Ohr verschließen.
Jazz ist eigentlich nur Begleitton dieses Neo-Westerns, Projektion einer Schnelllebigkeit im Reagenzglas der verschwundenen Zeit. Sucht man sie - vergeblich. Im Abgasrohr des polierten Chevy steht sie still, in der Freiheit - dem Wald, der Straße scheint sie sich in tausend Teile zu zerstäuben. Versucht man sich die Zeit zu imaginieren, zwischen wachsenden Bärten und Falten, die hervortreten, muss man alles andere, den Sog, die Erzählung fallen lassen. Ein Kreis in der Zeit, ein Kreis in der Erzählung, ein Kreis mit offenem Ende, Dreiecke im Kreis, Räuber im Zentrum. Vielleicht gings auch um die Sache an sich, zu rauben, um sich selbst wahrzunehmen, ein egoistisches Handeln in einer kantenlosen Umgebung. Und wieder kommt der Jazz, unwillkommener Gast in Kinosälen, treuer Begleiter von Verfolgungsjagden, Lärm in den finstren Gegenden. Gemälde die Gesichter formen, im Schweinestall, Krähen, Motorenknattern und irgendwann kann sich selbst der Jazz nicht mehr gegen das Unbehagen wehren. In der Zeitung sahst du besser aus.
Keine Kunst ist; Keine Kunst ist mir ebenbürtig, die Kunst entspringt meiner Feder, ich erschaffe, ich reiße ein, ich bin der Schöpfer, dein Schöpfer, der Feldherr auf dem Mustang, das Schwert das dich durchbohrt, ich als Künstler bin die Macht, der Albtraum, das zusammengefügte Bild, die Versöhnung, der Sturm vor dem du dich fürchtest, ich bin der Grund, warum du all die Jahre umsonst gelebt hast, ich bedinge dich, ich bin alles was du dir selbst zuschreibst, ich bin dein Vater, du bist meine Kunst. Film über innere Konflikte, die durch Kunst überwunden werden sollen; Kunst die Trier nicht erkennt oder nicht anerkennt, für ihn ist nur von Bedeutung, dass sich jeder Schmerz, jede Träne bezahlt macht, sucht nur weiter nach Gründen, warum die Stille euch so fern ist. Trier stellt aus, sucht Symbole und Gesten, findet leere, sterile Räume, Texte, die sich die Maskerade vom Gesicht reißen, nach Luft schnappen - ein letztes Glas Rotwein. Weiß nicht ob ich das so gut fände, wenn mein Vater meine Todessehnsucht zur Schau stellt. Spekulation, der Glückliche wird doch immer belohnt, das große Los zu ziehen, einmal mehr im Mittelpunkt zu stehen - einen Film gemacht zu haben.
Dekadente, selbstgefällig-schmierige Schreckgespenster-Parade im von Champagnerhirnen vollbesetzten Gartenbaukino, die auch brav applaudieren, weil der großartige Amerikaner im Saal ist und so lieb verplant wirkt. Hat mich im weitesten Sinne an Daniel Schmids Zwischensaison erinnert, bloß das Schmid kein debiler Bourgeois war, aber dem zugrundeliegenden Hotel Geschichten abrang, die Gemäuer neu arrangiert, das Leben im Luxus als Pestbeule sah, Menschen in und um das Hotel herum in Gedichte verwandelte. Solnicki hingegen dreht einen Werbefilm, ohne künstlerischen Anspruch, für alle Speichellecker in der österreichischen Filmindustrie. Muerte Muerte
Ich habe heute gemerkt, dass wenn ich einer filmemachenden Person bei allen Ausschweifungen über Metaphysik, materialistischer Form im Kino und sonstigen Absonderlichkeiten vollends folgen kann, spricht das nicht für die filmemachende Person und stößt mich etwas ab. Vor allem wenn es sich um lose Behauptung dreht, wenn ein materialistischer Ansatz nach Straub/Huillet behauptet, aber nicht konkretisiert wird; wenn es nicht gelingt die Theorie auf den Film anzuwenden. Bei Summereder verhält es sich so; ihr Film kommt auch kaum über einen Versuch, eben materialistisch zu denken, hinaus. Möglichkeiten und Variationen, Theater, dokumentarisches Lesen, versteckte Komödie, bewusstes Figurenensemble, es will nicht so recht, auch weil der Text dann doch immer mehr verfremdet als Instrument einer fehlenden Klarheit, als an der Leine geführtes Lebewesen.
Ich bin diese kleinbürgerlichen, bedeutungsschwangeren, ins unendliche gestreckten Familiendramen mit Hang zum magischen Realismus so herzlich leid und doch finden sie immer wieder ihren Weg ins Viennale-Programm (zum Glück nur als Überraschungsfilm, der sich nebenbei bemerkt auch Jahr für Jahr unterbietet). Lagerfeuergeschichten, müde Gesichter, alte Gesichter, nichts übersteht die Zeit, Wunden, die im Dachboden versteckt gehalten werden, Hagelkörner als himmlisches Geschenk, Dinosaurier die Gefühle verkörpern und sonstige Dummheiten. Definitiv der materialistischere Film als Summereders Bartleby, aber auch im reaktionären Sinne einer komplett verfremdeten Geisteshaltung. Natur als Symbol eines Innehaltens, ein Film des dauerhaften Innehaltens, keine Bewegung, kein falsches und erst recht kein richtiges Wort.
Eine Dame im Publikum hat etwas erwähnt, was ich wichtig finde; sie sprach von der archivarischen Arbeit Aljafaris und wie dieser Film als persönliches Archiv, als Archiv von Begegnungen und Erinnerungen stattfindet. Und letzten Endes muss Aljafari auch nicht über diese Muster hinausarbeiten, er stellt Bezüge her, öffnet Räume für das Individuum im Krieg, für Ängste, Träume und für verzweifelt-lächelnde Momente vor dem Fernseher, der ausnahmsweise keine Bombenanschläge zeigt. Und es ist kein moralischer Widerstand, es ist ein Widerstand den Archive begründen/offenlegen.
Ein Film, der dazu einlädt, gar nicht erst über ihn zu sprechen. Karikaturesken Natur, das Morbide ins Lachhafte zu drängen und kein Gedanke, der das erzählerische Mausoleum verlässt. Der Sog ist dann eher ein unbewusster, dem eigenen Verhalten geschuldeter, unkritischer Blick auf leeres Papier, wartend sich selbst zu beschriften. Und klar ist das auch faszinierend, im Kino zu sitzen und sich selbst wehrlos aufzufinden, aber umso trister das Erwachen, 1 Uhr schlägt an - das Stadtkino flüchtet in die Nacht - und kein Gedanke will sich formen. Vielleicht funktioniert das in betrunkenem Zustand, zuhause vor dem Laptop, in sehnsüchtigem Verlangen nach Stringenz, aber nicht im Kino, während eines Festivals, das von Irrungen, Fehlinterpretationen lebt, in diesem Szenario wünscht man sich doch ein kleines bisschen filmische Angriffsfläche oder zumindest einen Humor, der über das "Obskure" hinausgeht. Ich ärgere mich, weil ich am nächsten Morgen schon mit dem Film abgeschlossen hatte, hier stehe ich 2 Tage später und grabe lyrische Leichen aus, fast wie Park Chan Wook, der auch sein lyrisches Ich vergräbt und Bäume pflanzt, die keine Äste tragen.
Traumtagebuch und Rückbesinnung, aber kein Brief. Vielmehr ein Fotoalbum ohne Beschriftung, ohne Widmung, Blumen beigelegt. Entweder zu persönlich oder zu unpersönlich, zu wenige Gesichter, zu viele Geschichten über Gesichter und ein hilfloses Ringen nach Briefbeschwerern. Fürs Kino zu betucht, für Prosa zu überschwemmt, als Gedicht für sich selbst, genau richtig.
Entstellte Körperbilder, Traumadrescherei, blaugraue Entzugserscheinungen die den Film in arktische Isolation drängen. Leerstellen und Hohlräume; auch hier Zyklen über Zyklen, Rückfälle, Muster und zerbissene Nervenenden. Dann der offensichtliche Kontrast einer heißen, durstigen, kahlen Welt, einer Gesellschaft in brennender Kohle, einer Welt die Kehlen verschnürt, stumme Menschen produziert. Für Ducournau geht es um alles, um Alpha & Omega, den Tod und die Geburt, den Anfang und das Ende, alles schön und gut, aber das manische ihrer Allmachtsphantasien verträgt sich nicht mit dem emotionalen Unterbau ihrer Erzählung, beziehungsweise stößt sich ihr Zyklus an den Gefühlen, die ihre Figuren empfinden sollen, an den fahlen Gesichtern und tränenden Augen; da hilft auch die Metapher als letzter Ausweg nicht, wenn der Film als solches seine eigenen Krankheiten züchtet.
Basquiat mit Ruß befleckt, Gaza in absoluter Finsternis, kein Sonnenstrahl erreicht das Häusermeer; es donnert, grollt, Trommelfeuer, keine Partys auf Häuserdächern und das ärmste Piano des Westens. Filmisches Kolloquium im zerbombten Amphitheater, sich selbst zensierend und stutzend, oder auch ein Virus der sich selbst zerfrisst um sich seiner Schuld reinzuwaschen. Kein Denken in Sentimenten, ein Leben in falscher Folklore, in Selbstverachtung und Stimmlosigkeit; betrachtet man doch durchwegs zwecklose Menschen, einzig die Babys werden in ihre Souveränität gezwungen, den Krieg werden sie schon noch überdauern. Rivette hätte der Gedanke gefallen, einen Belagerungsfilm zu drehen in dem die Belagerer nur in Umrissen zu erkennen sind, während die Belagerten Bilder in die Smog-Wolken ritzen. Die Kinder reißen sich los, die Erwachsenen treiben wie gelähmt durch ihr eigenes Befinden, werden melancholisch, handzahm, der Verdruss, ein Niemand in der Wolkenkratzer-Welt zu sein setzt ein; bleibt nur die Flucht ins bedeutungslose Privatleben, zurück in Beziehungen deren Inhalt kein Blatt Papier auszufüllen vermag, zurück in die Jeanshose und den Satin-Blazer, ganz tief in seinen Kinosessel - um zu realisieren wie absurd das alles doch ist.